Sommerfahrt 2023 nach Köln
Köln ist eine Reise wert. Die diesjährige Sommerfahrt führte dorthin: „natürlich“ in die Synagoge, Roonstraße, wo wir über die Geschichte der Gemeinde und ihre lebendige Gegenwart informiert wurden.
Das markante Gebäude wurde nach der Shoah vom selben Architekten wiedererrichtet, der auch die derzeitige Koblenzer Synagoge entworfen hat: Helmut Goldberg, mit Dr. Heinz Kahn Überlebender von Auschwitz und Buchenwald.
Nach einem Imbiss im „Veddel“ ging es zur St. Andreas-Kirche des Dominikanerklosters im Zentrum. Sie ist einer der ganz, ganz wenigen christlichen Orte, an denen der Makkabäer gedacht wird (und das seit im 12. Jh.). Gebeine waren zusammen mit Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln gebracht worden.
Die Makkabäer waren Freiheitskämpfer gegen die Besatzungsmacht der Seleukiden im 2. Jh. Vor unserer Zeitrechnung. Nach liberalen Anfängen hatten letztere schließlich alles unter Todesstrafe gestellt, was jüdische Identität mit ausmacht: Beschneidung, Sabbat, Feste.
Als der Tempel wieder von Götzenbildern befreit und gereinigt war, fand sich noch koscheres Öl für einen Tag. Es brannte acht Tage, lange genug, um Öl für die Zukunft vorzubereiten. Channuka erinnert jährlich daran, in St. Andreas tut das eine Menora hinter dem Reliquienschrein.
Weltweit einzigartig dürften die neoexpressiven farbintensiven Fenster von 2007 sein, die der mittlerweile alt gewordene „Neue Wilde“ Markus Lüpertz entworfen hat, Koblenzern und Koblenzerinnen bekannt von seinem St. Martin im Evangelischen Stift St. Martin.
Nach Kaffee und Kuchen oder privatem Dombesuch – mit einem informativen Paper von Elisabeth Weiler in der Hand – ging es, sicher chauffiert, rheinaufwärts nach Hause.
(Dr. Paul Petzel; Fotos: Christoph Simonis)
Verleihung des Paul-Eisenkopfpreises am 18. Juni 2023
Gedanken und Impressionen
Freude und Aufregung waren dem Preisträger Dr. Michael Aranovski und seiner Ehefrau Anna förmlich ins Gesicht geschrieben, als sie in wenigen ergreifenden Worten ihre Dankbarkeit gegenüber der Versammlung zum Ausdruck brachten, nachdem die Kulturdezernentin der Stadt, Frau Dr. Margit Theis-Scholz, sowie der Vorsitzende der CJG die Urkunde überreicht hatten.
Der erste Teil eines denkwürdigen Tages (Zum Programm >>> PDF) fand damit in dem denkwürdigen Raum des historischen Rathaussaales von Koblenz seinen Abschluss.
Der Paul-Eisenkopf-Preis konnte nach langer Unterbrechung wieder vergeben werden und das im zwanzigsten Jahr nach dem zu frühen Tod des Pallottinerpaters Paul Eisenkopf und im dreißigsten nach der Einreise des Ehepaars Aranovski nach Deutschland. Die glänzende Musik des Duos Yoel Cantori und Benoit Gagnon, die die klanglichen Möglichkeiten des Cellos ausschöpfte und für den Preisträger die Erinnerung an einen befreundeten Cellisten beschwor, eine Reihe von Grußworten, die sich wunderbar ergänzten sowie die Laudatio von Herrn Rien van der Vegt, der als Vorstandsmitglied des Dachverbandes DKR auch dessen Grüße übermitteln konnte, kennzeichneten die Veranstaltung am Sonntag Nachmittag. Dank einer ausgeklügelten Organisation wusste Jeder und Jede um den eigenen Platz und kam auch mit Kaffee und Gebäck nicht zu kurz.
Die Laudatio lies die Stationen und Wechselfälle eines belebten Lebens in allen Facetten lebendig werden: Überleben der deutschen Invasion im 2. Weltkrieg mitsamt der Blockade von Leningrad, Demütigungen und Zurücksetzungen durch sowjetischen Antisemitismus, familiäres Glück und Zuflucht in Deutschland als Kontingentflüchtling …
Dem stellte der Preisträger mit seinem Verhalten als Gegengewicht entgegen: das stille und freundliche Auftreten, den selbstlosen ehrenamtlichen Einsatz auf vielen Gebieten, den Brückenschlag für die Jüdische Gemeinde nach außen, viele Veranstaltungen vor allem für Kinder zum Ansporn ihrer kreativen Kräfte (z.B. durch Malen am Rhein, nach den Worten des Laudators für sich allein schon eines Preises würdig).
Ihre Fortsetzung fand das Ereignis noch abends in dem Konzert des Streichtrios, das Verwandte und Freunde des Preisträgers im Gemeindesaal der JKG ausrichteten und die Hörer:innen zu einer wunderbar farbigen musikalischen Weltreise entführte. Neben deutsch-österreichischen (Schubert) und polnischen (Lutoslawski) waren auch amerikanische, ukrainische (Glier) und grusinische Klänge zu hören, teilweise untermischt mit Anklängen an jüdische Volksweisen.
Möge sich das Preisträger-Ehepaar noch lange von der Welle der Sympathie und des Wohlwollens getragen fühlen können und mögen in allen Anteilnehmenden Vorsätze und Hoffnungen des Friedens gestärkt worden sein!
gez. Alban Rüttenauer
Harald Orth, sein Buch über Hannelore Hermann, das Cusanus-Gymnasium und die Vorzüge mangelnder Ortskunde
6. März 2023
Ortsunkenntnis kann zuweilen von Vorteil sein oder, sagen wir, für überraschende Zufälle sorgen. Nachdem ich auf der Mainzerstraße geparkt hatte und mich verzweifelt auf die Suche nach der mir bisher nur dem Namen nach bekannten Cusanus-Schule begab, bog ich unter anderen in die Johannes-Müller-Straße ein, die ich mir für den Rückweg gut zu merken versuchte. Wie erstaunt war ich, beim anschließenden Vortrag zu erfahren, genau auf diese Weise einige der Lebensstationen der jüdischen Familie Hermann nachgegangen zu sein. Wie wurden für mich Orte mit einem Mal lebendig, die ich bis eben nur durch Zufall kannte!
Noch manche andere Orte ließ der Vortrag zu neuem Leben erwachen. So erfahren wir von einer Jugendgruppe, die sich im Garten hinter der damaligen Synagoge getroffen hat, und spüren gleich den Wunsch, dass auch diese alte Synagoge im Bürresheimer Hof, wenn der Bau der neuen hoffentlich rasch vonstatten geht, nicht so schnell vergessen werde. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ließen mit wechselnden Stimmen das Lebensbild der Hermanns lebendig werden, indem sie Abschnitte aus dem Buch vorlasen, wie es Harald Orth nach vorausgegangenen Arbeiten von Elmar Ries und Helene Thill (ehemalige Vorstandsmitglieder der CJG, wahrscheinlich angeregt durch den Heimatbesuch von Kurt Hermann), ergänzt durch weitere Einsichten ins Stadtarchiv, zusammengestellt hat. Er hat sein Buch mit dem Titel „Wir lachten oft und gern“ (nach einem Briefzitat) so entworfen, dass es parallel zum Schicksal dieser Einzelfamilie auch die schrittweise, aber systematisch vorgehende Vernichtungsstrategie der Nazis beispielhaft beschreibt und nachzeichnet und damit einen unschätzbaren „pädagogischen“ Zweck erfüllt. Durch Nachfragen aus dem Publikum erfahren wir später, wie es den Machthabern u.a. durch ein Heer von Spitzeln gelang, die anfangs nicht als Nazihochburg angelegte Stadt Koblenz unter völlige Kontrolle zu bekommen. Ebenso kommen aber auch die verschiedenen Maßnahmen auf der jüdischen Gegenseite zu Wort, die verschiedenen jüdischen Zusammenschlüsse, oft zionistischer Prägung, mit ihren jeweiligen Treffpunkten im Koblenzer Raum. Deren Ideen und Atmosphäre konnten mit ihren Zukunftshoffnungen in den durch den Klarinettisten Walter Oswald-Wambach eingestreuten, aus der jüdischen Musiktradition geschöpften Stücken gut nachklingen.
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand und steht aber stellvertretend für so viele Opfer die Hannelore als jüngstes, aber geistig waches und frühreifes Kind der Familie, das so erwartungsvoll ins Leben schaute und das doch zusammen mit ihren Eltern der Deportation zum Opfer fiel, während ihre älteren Geschwister derselben durch rechtzeitige Auswanderung entkommen, dadurch aber auch den Briefwechsel erhalten konnten. In der Deportation verliert sich ihre Spur im völligen Dunkel. Mögen ihre Lebensspuren in Koblenz umso lebendiger bewahrt bleiben!
Alban Rüttenauer
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.01.2023
Am 27. Januar und um diesen Tag herum gedachte unsere Gesellschaft mit anderen Koblenzer Vereinen und der Stadtöffentlichkeit der Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz und der Region.
Beim Innehalten an der Statio am Mahnmal auf dem Reichenspergerplatz wurden Namen von Opfern verlesen. Schülerinnen und Schüler brachten deren Biografien und als Zeichen der Trauer weiße Rosen am Mahnmal an. Andreas Stickel gab dem Unsagbaren mit der Trompete Raum. Danach zündeten die Anwesenden Lichter für die Ermordeten an.
Anschließend fand eine Gedenkfeier mit christlich-jüdischem Gebet in der Koblenzer Citykirche statt. Alle konnten sich in der Kirche auch der Ausstellung "'Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch' - Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz" stellen.
Studierende der Universität Koblenz hatten für den Kirchenraum eine besondere Installation, "Raum der Namen", entwickelt. Durch die Einbettung von Namen in eine Licht- und Geräuschkulisse wurde erlebbar gemacht, dass sich das Leid der Opfer nicht bildlich fassen lässt.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)