November 2016
„Um Gottes Willen – keine Gewalt im Namen Gottes“
Jüdisch-Christliche Gedenkfeier anlässlich des 78. Jahrestages der Reichspogromnacht
Avi Avadiev, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde und jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen
Gesellschaft Koblenz begrüßte die sehr zahlreichen Gäste der Feierstunde im Gemeindesaal der Synagoge
Koblenz.
Für die Christlich-Jüdische Gesellschaft Koblenz begrüßte Vorstandsmitglied Prof. Dr. Pater Alban Rüttenauer. Er
zitierte den jüdischen Journalisten Günter Bernd Ginzel: was wäre gewesen, wenn in der Pogromnacht die
christlichen Kirchen Sturm geläutet hätten, um zum Widerstand und Protest aufzurufen. „In Koblenz kann man es
es sich gut vorstellen: die ehemalige Synagoge im Bürresheimer Hof lag und liegt in direkter Nachbarschaft zur
Florinskirche und zur Liebfrauenkirche. Was wäre hier möglich gewesen! Doch es kam leider anders. Heute
erinnern wir uns, um in Gegenwart und Zukunft Solidarität zu zeigen“.
Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, Oberbürgermeister der Stadt Koblenz, betonte in seinem Grußwort, dass er sich
darüber freue, die Schirmherrschaft über den Bau einer neuen Synagoge in Koblenz übernommen zu haben.
Nach der hebräischen und deutschen biblischen Lesung durch Rabbiner Efraim Yehoud-Desel und
Pastoralreferentin Jutta Lehnert, vertiefte diese den Text. Ihr Fazit : „Mit unseren Worten – vor allem den öffentlich
gesprochenen und geschriebenen - müssen wir vorsichtig umgehen. Jedes Wort, das wir reden, wandelt die Welt
und greift ein in die Psyche der Menschen. Das gilt für das unduldsame oder giftige Wort einer Mutter, das sich in
die Seele eines Kindes einnisten kann genauso wie für die Hasstiraden von politisch Extremen im Internet oder auf
den Straßen.“
Gebete und Segen auf Hebräisch und Deutsch sprach und sang Kantor und Rabbiner Efraim Yehoud-Desel, die
sehr stimmungsvolle und musikalisch ausgezeichnete Umrahmung gestalteten Elke Schäfgen ( Klavier) und Judit
Schlenzig ( Flöte ). Besonders beim letzten, sehr bekannten Stück „Yerushalayim shel zahav – Jerusalem von
Gold“ hörte man beim Refrain viele Stimmen, die mitsangen.
Zum Abschluss der Feier legte Oberbürgermeister Hofmann-Göttig einen Kranz am Mahnmal für die sechs
Millionen ermordeten Juden auf dem jüdischen Friedhof nieder. Rabbiner Yehoud-Desel intonierte die beiden
Gebete „El male rachamim“ ( Gedenken an die Opfer der Shoa ) und „Kaddisch“ ( Totengedenken ).
Heimatbesuch 2016
Wie in jedem Jahr – und nun schon zum 31. Mal - begann der diesjährige Heimatbesuch mit dem Begrüßungstreffen im Garten des Hotels Brenner. Neben den 16 Gästen waren auch viele Mitglieder und Freunde unserer Gesellschaft gekommen um die Gäste willkommen zu heißen. Unsere Einladung angenommen haben in diesem Jahr : aus Deutschland ( Frankfurt/Berlin/München ) Werner und Christel Appel, die Tochter Miriam Bieberstein mit ihrem Mann, Ruth Homrighausen geb. Appel mit ihrer Tochter Ronit und Mann Michael, Marlene Berg, geb. Appel. Aus U.S.A. Hilda Spanier mit ihrer Tochter Marilyn aus New York sowie Ralph und Jane Salier aus Chicago. Aus Israel kamen Lea Sassoon aus Tel-Aviv, Tami Blättner aus Petah-Tikva, Ronit Rubinstein, geb. Bermann mit ihrem Mann Israel aus Haifa. Vor allem der Besuch der über 90jährigen Hilda Spanier aus New York fand besondere Bewunderung.
Am Montag versammelten sich Heimatbesuch-Gäste, Mitglieder der Christlich-Jüdischen Gesellschaft und der Jüdischen Kultusgemeinde zu einer gemeinsamen Gedenkfeier am Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof. Kantor Joseph Pasternak begrüßte die Überlebenden der Shoa, hieß auch die sie begleitenden Familienmitglieder der nächsten Generation willkommen. „Wir, die Generationen nach der Shoa sollen die Erinnerung weitertragen, da es nicht mehr viele Zeitzeugen gibt“. Und er rief allen Anwesenden den Text auf der Gedenkstele ins Gedächnis: „Den Toten zur Erinnerung, den Lebenden zur Mahnung !“
Für die CJG erinnerte Pater Alban Rüttenauer an den 13. Todestag von Pater Eisenkopf an diesem Tag und sagte weiter : „Gegen ( diesen ) Rassenwahn wollen wir hier ein bewusstes Gegenzeichen setzen, ein Zeichen der Solidarität. Wir bestärken uns damit gegenseitig in dem Vorsatz, so zusammenzuhalten und zusammenzustehen, dass es keiner noch so großen politischen Macht, keiner noch so fanatisierten Bewegung mehr gelingen soll, Menschen, die bisher friedlich zusammengelebt haben, so gegeneinander aufzuhetzen, dass sie sich über Nacht wie Mörder und ihre Opfer gegenüberstehen. Wir bemühen uns, den Faden der Geschichte dort wieder anzuknüpfen, wo ihn in der Vergangenheit eine wahnwitzige Politik gewaltsam abgerissen hatte.“
Mit dem gesungenen „El male rachamim“, dem Gebet für die Opfer der Shoa von Kantor Joseph Pasternak endete die Gedenkfeier.
Im Gemeindesaal wurde dann – wie es schon lange Tradition ist – zu einem Vortrag unseres Gastes Lea Sassoon eingeladen. In diesem Jahr hatte sie Fotos und Informationen zum Thema „Die Wüste“ vorbereitet, Allgemeines zur Entstehung der Wüsten in Israel, Tiere und Pflanzen, die in dieser eigentlich lebensfeindlichen Umgebung existieren können, Einblicke in Oasen und Wadis. ( Sehr einprägsam ihre Erklärung : „Ein Wadi ist wie der Rhein ohne Wasser“ ).
Nach dem Vortrag lud die jüdische Kultusgemeinde alle Gäste zu einem liebevoll zusammengestellten Imbiss ein, der Abend klang aus mit vielen Gesprächen, Wiedersehensfreude und Neu-Kennenlernen.
Am Dienstag machten sich Gäste und Freunde auf den Weg an die Mosel. Herr Schlenzig informierte über die früheren jüdischen Siedlungen in den Orten an der Mosel. Die kleine ehemalige Synagoge in Beilstein ist schwer zu finden, liebevoll restauriert, - wenn man vom Andenkenladen im Untergeschoss absieht - aber doch sehr interessant für alle. Touristischer Höhepunkt war danach eine kleine Rundfahrt mit dem Schiff von Cochem aus.
Am nächsten Tag hatte der Oberbürgermeister der Stadt Koblenz, Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen, dabei waren auch der Leiter des Kulturamtes, Herr Thomas Preusser und die Kulturdezernentin, Margit Theis-Scholz. Der Oberbürgermeister berichtete von den Fortschritten in der Planung der neuen Synagoge, von weiteren Neuigkeiten aus der Stadt Koblenz und von den Bemühungen der Stadt, sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu positionieren.
Der Donnerstag war ohne feste Programmpunkte, die Gäste erholten sich, gingen – wie das Ehepaar Rubinstein – auf Spurensuche nach den Straßen und Plätzen im Leben ihrer Vorfahren oder besuchten Freunde in der Umgebung. Lea Sassoon hielt ihren Vortrag noch einmal in einer Schule, Frau Fölbach aus Vallendar hatte sie dazu eingeladen.
Am Abend trafen sich dann alle Gäste wieder zu einer kleinen privaten Weinprobe in Güls, es wurde viel erzählt und viel gelacht.
Am Freitag Vormittag bestand das Angebot, die neue Stadtbibliothek zu besichtigen und am Nachmittag fand der traditionelle Kaffeenachmittag des Freundeskreises Koblenz-Petah-Tikva statt. Heribert Heinrich vom Förderverein Neue Synagoge berichtete detailliert über den aktuelle Stand zum Bau der neuen Synagoge in der Weißergasse. Besonders freute das Hilda Spanier aus New York, da sie vor rund 92 Jahren in der Weißergasse geboren wurde.
Am frühen Abend besuchten dann alle den Vorabendgottesdienst in der Synagoge, wo der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde die Gäste herzlich begrüßte und betonte, dass sie in Koblenz und in der Gemeinde jederzeit herzlich willkommen seien.
Sommerfahrt 2016 - Bad Kreuznach
Kürzlich haben sich Mitglieder der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Koblenz zu ihrer traditionellen „Sommerfahrt“ auf den Weg gemacht. In diesem Jahr war Bad Kreuznach das Ziel.
Nach einer kurzen Fahrt besuchte man als erstes die Synagoge in Bad Kreuznach, wo die Gruppe von einer Mitarbeiterin der Gemeinde und dem Rabbiner herzlich empfangen und umfassend über das Gebäude ( eine ehemalige Militärkirche ) und die jüdische Gemeinde informiert wurden. Auch ein kleiner Imbiss mit Kaffee, Tee und selbstgebackenem Kuchen stand bereit, so konnten alle wohl gestärkt zu einem geführten Stadtrundgang und der Besichtigung der evangelischen Pauluskirche gehen.
Höhepunkt des Nachmittags war ein Besuch und eine Führung durch das Museum für PuppentheaterKultur. In der großen Ausstellungshalle entführt eine aufwändige Dauerausstellung in die fabelhafte Figurentheaterwelt und manch einer fühlte sich beim Anblick der wohlbekannten Figuren in seine Kindheit zurück versetzt.
Vortrag im Juni 2016
Der Fremde im Judentum - ein Vortrag von Rabbi Ahrens aus Düsseldorf
Rabbi Jehoschua Ahrens (Düsseldorf) hielt am 6.6.16 auf Einladung der Christlich-Jüdischen Gesellschaft einen Vortrag über das Thema: „Der Fremde im Judentum - die Haltung gegenüber Nichtjuden in der jüdischen Religionspraxis“. Der Gemeinderaum der Jüdischen Kultusgemeinde war gut gefüllt bei diesem sehr aktuellen Thema. Das Auditorium erfuhr, dass das Integrationspotential von Fremden nicht nur mit den eigenen geschichtlichen Erfahrungen des Fremdseins („Ägypten“) begründet ist, dem Anderen also die Aufnahme und Freiheit zu gewähren ist, die das alte Israel an sich selbst erfahren hat. Die Bezogenheit auf die anderen Völker und ein universalistisches Verständnis ist in vielen biblischen Texten Thema. So lebte im Umkreis der Familien häufig Andersgläubige, die in den Volksverbund sozial und rechtlich integriert waren. An einigen Beispielen aus der antiken und rabbinischen Auslegungsgeschichte bis in die Moderne wurde gezeigt, wie sich die Auslegung einzelner Texte im Umgang mit den Nichtjuden - oft historisch bedingt - veränderte, um den aktuellen Bedingungen, in denen die Juden jeweils lebten, zu entsprechen. Eine angeregte Diskussion beschloss den spannenden Vortragsabend.
Rabbi Ahrens studierte an einem traditionellen Rabbinerseminar und an der Bar Ilan Universität in Israel sowie an der Universität für jüdische Studien in Budpest, wo er seinen Magister erlangte. 2010 - 2015 war er als Gemeinderabbiner in bulgarien, in der Schweiz und in Deutschland tätig. Zur Zeit ist er Mitarbeiter an einem Forschungsprojekt zum Jüdisch-Christlichen Dialog an der Universität Luzern. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Düsseldorf.
Rabbi Jehoschua Ahrens und Pfarrer Wolfgang Hüllstrung ( Vorsitzender der CJG Koblenz )
Lesung im April 2016
„Ich bin Jüdin, Kennort Berlin, Kenn-Nummer ….“
Mit diesen Worten erfüllte Marie Jalowicz die Vorschrift der Nationalsozialisten für Juden in Deutschland, wenn sie
eine offizielle Person, wie etwa einen Polizisten auf der Strasse, ansprachen.
Eine kurze Episode, die Dr. Hermann Simon in seinem Vortrag mit Lesung von Ausschnitten aus dem Buch
„Untergetaucht“, der Lebensgeschichte seiner Mutter, im Gemeindezentrum der Jüdischen Kultusgemeinde vortrug.
Offen und schonungslos schildert Marie Jalowicz, was es heißt, sich Tag für Tag im nationalsozialistischen Berlin
durchzuschlagen: Sie braucht falsche Papiere, sichere Verstecke und sie braucht Menschen, die ihr
helfen.Vergeblich versucht sie, durch eine Scheinheirat mit einem Chinesen zu entkommen oder über Bulgarien
nach Palästina zu fliehen. Sie findet Unterschlupf im Artistenmilieu und lebt mit einem holländischen Fremdarbeiter
zusammen. Immer wieder retten sie ihr ungewöhnlicher Mut und ihre Schlagfertigkeit – der authentische Bericht
einer außergewöhnlichen jungen Frau, deren unbedingter Lebenswille sich durch nichts brechen ließ.
Der Historiker Dr. Hermann Simon, Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin / Centrum Judaicum,
befragte seine Mutter von Dezember 1997 bis kurz vor ihrem Tod im September 1998 zu ihrer
Überlebensgeschichte. 77 Tonbänder wurden zur Grundlage eines einzigartigen Zeitdokuments. Das Buch
„Untergetaucht – eine junge Frau überlebt in Berlin 1940–1945“ erschien 2014 und wurde inzwischen in mehrere
Sprachen übersetzt.
Eingeladen war Dr. Simon von der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Koblenz in Zusammenarbeit mit der CJGZ
Recklinghausen und dem Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz.
von links : G. Koch, Christlich-Jüdische Gesellschaft Recklinghausen, Dr. Hermann Simon, Berlin, Dr. Anja Diesel, Schulreferat des Ev. Kirchenkreises Koblenz, Pfr. Wolfgang Hüllstrung, Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft KoblenzMitgliederversammlung am 16. Februar 2016
Mitgliederversammlung am 16. Februar 2016
Bei der Mitgliederversammlung am 16. Februar 2016 im Gemeindesaal bei der Synagoge standen u. a. Vorstandswahlen auf der Tagesordnung. Als 1. Vorsitzender wurde Pfarrer Wolfgang Hüllstrung und als 1. Stellvertreter wurde der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, Herr Avadislav Avadiev, gewählt. Als Geschäftsführerin und 2. Stellvertreterin wurde Frau Stefanie Maltha gewählt und als Beisitzer Pater Alban Rüttenauer (PTH Vallendar) sowie Kantor Joseph Pasternak. Hans-Werner Schlenzig schied auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung las Pfarrer i.R. Gernot Jonas Geschichten aus seinen Übersetzungen von Sholem Alejchem. Den Jahresbericht 2015 können Sie hier lesen.