Begegnungsnachmittag am 17.11.2019 / Auftakt zum Zeitzeugenprojekt

Welch eine gelöste Stimmung im Gemeindesaal der Koblenzer Jüdischen Kultusgemeinde! Die Musikgruppe „Besseder“ und Gesangssolisten aus der Gemeinde traten an gegen Dauerregen und Novembergrau. Mit russischer Folklore und jiddischen Liedern sorgten sie für wippende Füße und immer wieder einsetzenden Zwischenapplaus. Sie boten, ohne dass es ausgesprochen werden musste, auch einen Kontrast zu dem, was an zum Teil unvorstellbar harten Schicksalen von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde im Raum war: „Wir leben, wir sind hier“, war die Botschaft der Musik. Eine Mut machende Botschaft und eine, die einstimmte auf ein Projekt, für das es Mut braucht, ging es doch bei diesem Begegnungsnachmittag auch um den Auftakt zu einem Zeitzeugenprojekt.
Es steht unter dem Motto "Ihr habt die Erfahrung gemacht, nicht eure Kinder! ... Du sollst sie deinen Kindern wiederholen" (Dewarim/ 5. Mose/ Deuteronomium 11,2; 6,7). Mit den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde sind Lebenserfahrungen und -geschichten ganz besonderer Art in Koblenz angekommen. Mit ihnen sind nicht selten schlimme Erinnerungen verbunden, über die zu sprechen nicht leicht ist bzw. für die ob ihrer Schwere bisher die Worte fehlen.
An diesem Nachmittag und nicht zuletzt in der Begegnung mit einer Studentin der Hochschule Koblenz, welche die Projektvorstellung von Paul Petzel ins Russische übersetzte und als Person ausstrahlte, dass sie behutsam mit dem umgehen werde, was man ihr anvertrauen würde, haben sich einige Mitglieder der Gemeinde am Sonntag bereit erklärt, ihre Lebenserinnerungen zu erzählen oder aufzuschreiben.
Das macht den Initiatorinnen und Initiatoren des Projekts aus der Hochschule Koblenz, der Jüdischen Gemeinde und der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Mut, das Projekt zu wagen. Ein Anfang ist gemacht. Ziel ist es, Lebenserinnerungen in einer Publikation, vielleicht auch in einer Ausstellung für künftige Zeiten zu sichern und für Bildungskontexte aufzubereiten.
Das rheinland-pfälzische Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Veranstaltung freundlicherweise unterstützt.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Resolution gegen Antisemitismus des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz

Auf der Synode des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz am 16.11.2019 wurde einstimmig beschlossen, eine Resolution gegen Antisemitismus und judenfeindliche Angriffe zu veröffentlichen und diese in allen Gottesdiensten des Kirchenkreises am Buß- und Bettag (Mittwoch, 20. November) abzukündigen sowie sie der Öffentlichkeit kundzutun. In der Resolution werden vier konkrete Ziele genannt:
"1. Wir fordern unsere Gemeinden auf, allen Formen von antisemitischen Taten und Äußerungen in und außerhalb der eigenen Reihen entgegenzutreten. Wir erinnern auch an die in der Verfassung gewährleistete ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Grundgesetz) und appellieren an die verantwortlichen Stellen, jüdische Begegnungsstätten zu sichern.
2. Wir fordern unsere Bildungseinrichtungen und politisch Verantwortliche auf, auf die Zunahme von Antisemitismus und Judenfeindschaft mit verstärkter Bildung – und Präventionsmaßnahmen zu antworten. In den Schulen, in Gruppen und Kreisen unserer Gemeinden, darf es kein Verdrängen oder Verharmlosen antisemitischer Vorfälle geben.
3. Wir ermutigen dazu, geeignete Zeichen der Solidarität und der Pflege guter Beziehungen zu jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn zu setzen.
4. Wir wollen uns stärker dafür einsetzen, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaften unsere Kirchengemeinden als Orte von spürbarer Solidarität erfahren, in denen ihnen Christinnen und Christen mit Respekt und Anerkennung begegnen."
(weitere Informationen und den vollständigen Text der Resolution finden Sie unter https://www.kirchenkreis-koblenz.de/aktuelles-detailansicht/resolution-gegen-antisemitismus-und-judenfeindliche-angriffe.html)

 

Gedenkfeier anlässlich 81 Jahre Pogromnacht

Am Sonntag, dem 10 November 2019, fand um 15 Uhr im Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde in Koblenz eine gut besuchte Christlich-Jüdische Gedenkstunde zur Pogromnacht des Jahres 1938 statt. Als letzte Koblenzer Zeitzeugin der Shoa war Frau Inge Kahn zugegen.
Der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde und 2. Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Avadislav Avadiev, begrüßte als einen der Ehrengäste Herrn Staatsminister Roger Lewentz, welcher der Einladung der Jüdischen Gemeinde gefolgt war. Dieser und Oberbürgermeister David Langner versicherten als politische Entscheidungsträger die Kultusgemeinde ihrer Solidarität.
Die Ansprache hielt Pfarrerin Dr. Anja A. Diesel, Leiterin des Schulreferats des evangelischen Kirchenkreises Koblenz. Sie legte den Schwerpunkt auf den Umgang mit dem Wort und den Inhalt „des Wortes“ in jüdisch-christlicher Tradition. Dass im Vorfeld und während der nationalsozialistischen Zeit Menschen zunächst in der Sprache und durch die Sprache entmenschlicht wurden, bevor Taten folgten, zeige, so Frau Diesel, wie wichtig es sei, auf die eigenen Worte und die anderer zu achten. Theologisch fundiert, verfolgte Frau Diesel anhand von Psalm 78,1-7 die Spur, wie sich im Wort Erinnerung und Zukunftsausrichtung verbinden.
Die liturgische Gestaltung der Gedenkstunde lag in Händen des Gabbai der Jüdischen Kultusgemeinde, Avraam Abayev. Musikalisch wurde die Veranstaltung umrahmt von dem Instrumentalduo Elena Salzwedel (Violine) und Karl-Heinz Lindemann (Klavier). Sie griffen mit „Liedern ohne Worte“ virtuos den roten Faden der Ansprache auf.
Durch die Gedenkstunde wurde die Erinnerung an jene Ereignisse von 1938 wach gehalten und die Verbundenheit zwischen Juden und Christen sowie auch die mit Muslimen, ja zwischen allen Gruppierungen und Milieus der Koblenzer Stadtgesellschaft bestärkt.
Im Anschluss an die Feier legte Oberbürgermeister David Langner einen Kranz auf dem Jüdischen Friedhof nieder. Gerne folgten anschließend zahlreiche Gäste der Einladung der Kultusgemeinde zu einem Imbiss und zu Gesprächen.
Einen Bericht des SWR können Sie hier aufrufen.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Vortrag über Martin Buber am 23. September im Rahmen der Vortragsreihe "Große Jüdische Denker"

Der Name „Martin Buber“ hat eine große Strahlkraft, Und so kamen am 23. September 2019 viele Interessierte zu einem Vortrag über den jüdischen Religionsphilosophen in den Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde. In Prof. Dr. Christian Wiese, Inhaber der Martin-Buber-Professur an der Universität Frankfurt, fanden sie einen souveränen, gefragten Kenner Bubers. Am Tag zuvor war er noch Festredner beim 30jährigen Jubiläum der Buber-Rosenzweig-Stiftung.
Der Titel des Vortrags lautete: "Biblischer Humanismus in dunkler Zeit: Martin Bubers Denken während der Zeit des Nationalsozialismus". Wiese führte in die Biographie und zentrale Aspekte des Denkens Bubers ein. Der Schwerpunkt des Vortrags lag dabei auf dessen Deutung des Judentums und der jüdisch-christlichen Beziehungen während der Zeit des Nationalsozialismus, in welcher der Philosoph der Inhumanität der Nazi-Ideologie seine Vision einer biblisch begründeten Humanität entgegenhielt. Dabei kamen insbesondere Bubers Bibelkommentare, die „Verdeutschung der Schrift“ und seine Vision eines Dialogs in wechselseitiger Achtung vor dem Andersseins des Anderen zur Sprache.
Mit kundig ausgewählten Zitaten aus dem Werk Bubers veranschaulichte Wiese dessen tiefe, poetische Sprache und seinen Denk-Kosmos. Er stellte Ansätze vor, die uns heute noch auf Anhieb überzeugen: So wünscht er sich für den Dialog zwischen Juden und Christen Partner, die in der „Gewissheit der Gültigkeit des eigenen“ und der „Achtung vor der Wahrheit des fremden, dem eigenen widersprechenden Glaubensgeheimnisses“ offen miteinander reden.
Bubers Gewissheit, dass trotz Ausschwitz ein Leben mit Gott möglich bleibt, speise sich, so Wiese, allem aktuellen Leiden zum Trotz aus der Vergegenwärtigung der Erfahrung von Hiob: „wir rechnen auch jetzt, auch wir noch, mit Gott“.
Nach der Begegnung mit einem der Großen der Religionsphilosophie fiel es fast schwer, einen Abstand zum Gehörten, dem in sich schlüssig Scheinenden, zu finden. Es bedurfte schon eines profunden fachwissenschaftlichen Wissens, um anmerken zu können, dass Buber bedauerlicherweise ohne die Integration der rabbinischen Tradition auskomme und seine Vision eines Kulturzionismus durchaus kritisch zu hinterfragen sei.
Für alle war und bleibt es ein ausgesprochen gelungener Vortrags- und Diskussionsabend, ein 'Highlight' unserer bisherigen Vortragsreihe.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick / Wolfgang Hüllstrung)

 

35. Heimatbesuch früherer jüdischer Bürge/innen aus Koblenz und Umgebung

Auf Einladung der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit e.V. Koblenz waren vom 1. – 8. September 2019 frühere jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Koblenz und Umgebung sowie ihrer Nachkommen zum 35. Mal in Koblenz. Neun Gäste – meist hoch betagt –, die meisten aus Israel und aus den USA, konnten am Sonntag begrüßt werden.
Der Montag beginnt traditionell mit einer Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof, auf dem viele ihrer Angehörigen bestattet sind. Im Anschluss daran trifft man sich bei Kaffee und Gebäck im Gemeindesaal zum Gedankenaustausch. Wie in den vergangenen Jahren erfreute Lea Sassoon, heute Tel Aviv, die Teilnehmer mit einem Lichtbildervortrag. Wegen des 100jährigen Jubiläums des Bauhauses hieß das Thema „Bauhaus Tel Aviv“. Viele jüdische Lehrer und Schüler des Bauhauses in Deutschland waren in der Zeit des Nationalsozialismus nicht geduldet. Sie flohen nach Israel und gründeten eine Schule in Tel Aviv. Der Ausflug am Dienstag enthielt einen Besuch der Mikwe in Andernach. Anschließend konnten sich die Gäste über den Vulkanismus im Umfeld des Laacher Sees informieren. Der Mittwoch hatte zwei Höhepunkte: In Vertretung des Oberbürgermeisters der Stadt Koblenz, David Langner, der durch wichtige Amtsgeschäfte verhindert war, begrüßte die Kultur- und Bildungsdezernentin Dr. Margit Theis-Scholz die Gäste des Heimatbesuchs bei einem Mittagessen im Hotel Brenner. Sie ging in ihrer Ansprache auf die Verbrechen des Holocaust ein, die bei den Betroffenen zu großen Brüchen, existentiellen Nöten und zu Schmerzen bis heute führten. Dr. Theis-Scholz sagte: „Wir sind froh, dass Sie Koblenz besuchen. Wir können Unrecht nicht gut machen. Aber wir möchten eine andere Willkommenskultur.“ Sie verwies dann darauf, dass es in Koblenz ein intensives Netzwerk der Erinnerungskultur gibt: den Förderverein Mahnmal Koblenz, die Christlich-Jüdische Gesellschaft und den Freundschaftskreis Koblenz – Petah Tikva. Auch die Kirchen seien daran beteiligt. Das Kulturdezernat pflege Kontakten zu allen und sei auch an Gedenkfeiern im öffentlichen Raum beteiligt. Der zweite Höhepunkt des Tages war die Einladung zum Runden Tisch im Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde. Dabei ging es um die Zukunft des Heimatbesuchs. Jeder konnte Vorschläge machen, wie es weitergehen könnte. Die Ergebnisse des Gesprächs werden an die Christlich-Jüdische Gesellschaft und an die Jüdische Gemeinde weitergegeben. Am Freitagvormittag war ein Treffen der Gäste mit Schülerinnen und Schülern des Elfer-Stammkurses des Eichendorffgymnasiums unter der Leitung von Schulpfarrerin Ruth Stein angesagt. Das Thema „Jüdisches Leben“ war im Unterricht behandelt worden. Als Vorbereitung hatten die Schüler auch Orte jüdischen Lebens in Koblenz besucht wie z.B. die ehemalige Synagoge neben der Florinskirche, die Judengasse und das Mahnmal auf dem Reichensperger Platz. An Hand der Stolpersteine hatten sie sich mit der individuellen Geschichte der Opfer des Holocaust beschäftigt. Und der Freitagnachmittag stand im Zeichen der Begegnung mit dem Freundschaftskreis Koblenz – Petah Tikva, der vor 30 Jahren von Doris Leber gegründet wurde. Doris Leber ist Mitglied der Christlich-Jüdischen Gesellschaft und hat mit dem ersten Heimatbesuch 1985 die Gäste kennen gelernt. Mit dem Freundschaftskreis kam es zum Schüleraustausch mit der Ben Gurion High School Petah Tikva und dem Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Koblenz. Dieser Austausch findet jedes Jahr statt. Dadurch ist viel gegenseitiges Verständnis entstanden, auch Freundschaften zwischen israelischen und deutschen Jugendlichen haben sich daraus entwickelt. Mit den Gottesdiensten am Freitagabend und Samstagmorgen in der Synagoge ging der Heimatbesuch zu Ende.
(Kurzbericht, auf der Grundlage eines ausführlichen Berichts von Hans-Werner Schlenzig)

 

Verlegung von Stolperstein für Paul Schneider am 26. Juni 2019

Am Mittwoch, dem 26. Juni 2019, wurde ein Stolperstein für Paul Schneider vor dem Kreishaus, dem damaligen Polizeipräsidium und Polizeigefängnis, in dem Schneider 1937 inhaftiert war, verlegt. Von Koblenz aus hatte man dann im November 1937 Schneider in das KZ Buchenwald gebracht, wo er als "Prediger von Buchenwald" bekannt wurde. Am 18. Juli 1939 wurde er ebendort ermordert.
(Wolfgang Hüllstrung)

 

Gemeinschaftskonzert mit dem Verein „Koblenzer Mendelssohn-Tage“ am 2. Juni 2019

Yoël Cantori, Violoncello, Ayumu Ideue, Violine, Violetta Petrova, Klavier, und Dr. Angela Thompson, Moderation, gestalteten den Abend, der unter dem Motto „Fanny, die große, geniale Schwester von Felix“ stand.
In der Familie Mendelssohn war man sehr darauf bedacht, dass nach außen hin allein Felix die Rolle des großen, genialen Komponisten zukam. Der ebenso begabten älteren Schwester Fanny verbot der Vater zwar nicht das Komponieren - im Gegenteil, er förderte ihre musikalische Ausbildung. Aber ihre Werke sollten nur für den ‚Hausgebrauch‘ bestimmt sein. So finden sich in ihrem Werkverzeichnis zumeist kleinere Klavierstücke und Lieder. Nicht zuletzt die Freundschaft mit Charles Gounod führte dazu, dass Fanny Hensel schließlich auch große Kompositionen, wie etwa den Klavierzyklus „Das Jahr“, aus dem ein Auszug zu hören war, oder die erst 1970 wieder entdeckte „Ostersonate“ vollendete. Hervorzuheben ist das Klaviertrio d-Moll, op. 11 (Trio für Violine, Violoncello und Klavier), das als ein Höhepunkt ihres Schaffens gelten kann. Es wurde an diesem Abend virtuos und zugleich einfühlsam interpretiert.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Bericht von der Sommerfahrt am 2. Juni 2019

An einem hellen Sonntag, dem ersten heißen Sommertag des Jahres, machte sich eine bunt gemischte Gruppe aus Mitgliedern der Koblenzer Jüdischen Gemeinde und der Christlich-Jüdischen Gesellschaft mit dem Bus auf nach Dierdorf, Kreis Neuwied. Hier begrüßte Frau Löwer die Gruppe und führte engagiert durch den Vormittag.
Am „neuen“ jüdischen Friedhof mit seinen ca. 120 Gräbern (Belegungszeit des alten, daneben liegenden und heute eingeebneten Friedhofs: 1746 – 1846) hieß Stadtbürgermeister Thomas Vis die Gruppe willkommen. Michael Meyer, der die Geschichte des Friedhofs vollständig dokumentiert hat, begleitete sachkundig über den Friedhof. Nicht nur hier, sondern auch an der Gedenktafel für die Opfer der Shoa an der Stadtmauer gingen die Gedanken zurück in die Geschichte von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern dieses Ortes und die Menschen, für die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 der unsägliche Schrecken der Naziherrschaft seinen Anfang nahm. Frau Löwer, die sich mit dafür eingesetzt hatte, dass es zu einer Gedenktafel kam, erzählte anschaulich vom Weg bis zur Enthüllung der Tafel als Projekt der Stadt und der christlichen Gemeinden.
Nach einem Mittagessen im Seniorenheim am Uhrturm ging es weiter nach Flammersfeld. Dort besuchte die Gruppe das Haus, in dem Friedrich Wilhelm Raiffeisen von 1848 – 1852 als Bürgermeister tätig war. Zeit seines Lebens waren ihm Verbesserungen im Sozial-, Bildungs- und Infrastrukturbereich ganz besonders wichtig. Angesichts der Verarmung von Bauern infolge einer Hungersnot im Jahr 1846 entwickelte er den ersten Darlehnsverein der Welt. Die Genossenschaftsidee von Raiffeisen (ausgefeilt von ihm und Hermann Schulze-Delitzsch) ist heute Immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Stolz präsentierte Josef Zolk, Leiter des Raiffeisenhauses, die Originalurkunde der UNESCO. Aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit konnte der Frage, wie antisemitische Ansätze Raiffeisens zu bewerten seien, leider nicht mehr nachgegangen werden.
Gerne hätte die Gruppe die evangelische Basilika, deren Kirchturm um 1100 gebaut wurde, besucht. Leider aber war sie – wie es auch bei manch anderer Kirche zu erleben ist – verschlossen.
Neben den Begleitern vor Ort ist insbesondere Hans-Werner Schlenzig und Luise Löwer Dank zu sagen für die Vorbereitung und Durchführung der diesjährigen Sommerfahrt.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Programm der Sommerfahrt am 2. Juni 2019

Die diesjährige Sommerfahrt führte uns nach Dierdorf und Flammersfeld.

Hier der Programmablauf:

9.30 Uhr Abfahrt vom Internationalen Busbahn-hof Koblenz (beim Hauptbahnhof, in der Nähe von Sparda)

10.30 Uhr Ankunft in Dierdorf

   Besuch des jüdischen Friedhofs (bis ca. 11.00)

   Halt an der Gedenktafel für die Opfer der Shoa (bis ca. 11.30)

12.00 Uhr Möglichkeit für das Mittagessen im Seniorenheim am Uhrturm

13.30 Uhr Weiterfahrt nach Flammersfeld

14.00 Uhr Besuch des Raiffeisenmuseums in Flammersfeld und der evangelischen Basilika

ca. 16.00 Uhr Rückfahrt nach Koblenz

 

Vortrag über Moses Mendelssohn am 6. Mai im Rahmen der Vortragsreihe "Große Jüdische Denker"

Im Rahmen der Reihe „Große jüdische Denker“ hielt Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski am 6. Mai 2019 einen Vortrag über den jüdischen Aufklärer Moses Mendelssohn (1729-1786). Mit Professor Zaborowski, dem Rektor der Philosophisch Theologischen Hochschule Vallendar und Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Philosophie und philosophische Ethik, konnte ein ausgezeichneter Kenner jüdischer Religionsphilosophie gewonnen werden.
In seinem Vortrag führte Professor Zaborowski in Mendelssohns Buch “Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum” ein, in dem sich dieser nachdrücklich für Religionsfreiheit einsetzt. Wie begründet Mendelssohn seine Forderungen? Worin liegt die Radikalität seines Denkens? Und welche Bedeutung hat diese Schrift des berühmten Aufklärungsphilosophen für die Gegenwart?
Mit der Aufklärung rückt, anders als noch im Denken englischer Philosophen des 17. Jahrhunderts, die Mendelssohn kritisch würdigt, das Individuum in das Zentrum des Interesses. Professor Zaborowski führte einem hochinteressierten Publikum aus, dass und wie Mendelssohn als Aufklärer und Jude die Themen „Verhältnis von Staat und Religion“ sowie „Vernunft und Religion“ angeht. Geprägt durch eigene Erlebnisse (Aufforderung zum Übertritt zum Christentum durch Lavater, 1769, und die Verweigerung der Aufnahme in die Königliche Akademie, 1771) kommt Mendelssohn in seiner Jerusalemschrift von 1783 zur Forderung nach Religionsfreiheit für alle Menschen ohne Ausnahme.
Wenn uns der Fortschrittsglaube der Aufklärung auch abhandengekommen ist, so bleiben Mendelssohns Fragen aktuell: Ist der Anspruch auf Vernunft bei gleichzeitiger religiöser Identität einlösbar? Gehört Religion in den öffentlichen Raum? Ist die jeweils eigene Identität in Differenz zu der anderer im selben Gemeinwesen lebbar? Kann / sollte Religion etwas dazu beitragen, dass der Staat seine Aufgaben gut erfüllt? Moses Mendelssohn hat diese Fragen mit „Ja“ beantwortet. Gotthold Ephraim Lessing hat ihm für seinen philosophischen Ansatz mit „Nathan der Weise“ ein Denkmal gesetzt – aus gutem Grund.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Jüdisch-Christliche Feier zur Woche der Brüderlichkeit am 17. März 2019

Mit Abschluss der Woche der Brüderlichkeit fand am Sonntag, 17. März 2019, 15:00 Uhr, im Gemeinderaum der Koblenzer Jüdischen Kultusgemeinde eine Christlich-Jüdische Feier zum Jahresmotto 2019 "Mensch, wo bist Du? - Gemeinsam gegen Judenfeindschaft" statt.
Avadislav Avdiev begrüßte als Vorsitzender der Gemeinde und 2. Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Koblenz die zahlreich erschienen Gäste. Ein Grußwort überbrachte Dieter Burgard, Beauftragter für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen des Landes Rheinland-Pfalz. Burgard stellte kurz seinen Aufgabenbereich vor und betonte, dass es angesichts zunehmender verbaler und körperlicher Gewalt gegen jüdische BürgerInnen dringender als noch vor einigen Jahren eines Beauftragten bedürfe. Den Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch, Neuseeland, vor Augen, gedachte Burgard stellvertretend für die Anwesenden der Opfer und sprach von einem Angriff auf alle, die an den einen Gott glauben. Mit den Worten, mit denen Bundespräsident Steinmeier seine Rede anlässlich der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2019 in Nürnberg beendete, schloss Burgard sein Statement ab „Lassen Sie uns also auf die Frage ‚Mensch, wo bist Du?‘ antworten: Hier! Wir sind hier! Jeder einzelne von uns. Und wir versprechen, nicht wegzuschauen!“
Der Kantor der jüdischen Gemeinde trug anschließend den Text, der der folgenden Ansprache zugrunde lag, in hebräischer Sprache vor. Juniorprofessor Dr. Alban Rüttenauer, PTHV, Mitglied des Vorstands der Christlich Jüdischen Gesellschaft, interpretierte in seiner Ansprache die Geschichte von der Heilung des Aramäers Naaman als Friedensgeschichte. Ausgangspunkt war die politische Situation zwischen dem übermächtigen Großreich Aram und dem Kleinstaat Israel. Zwischen beiden herrschte nur noch Gewalt. Es gab keinerlei Art von friedlicher Kommunikation. Das ändert sich, als einer der Heerführer Arams erkrankt und sich Heilung durch religiöse Riten erhofft. Überraschenderweise kommt es durch eine junge Sklavin zu einem, zunächst von Vorurteilen belasteten Dialog zwischen den Religionen. Erst als alle Beteiligten bereit sind, sich vorurteilsfrei zu begegnen, findet Naaman die erhoffte Heilung. Könnte das nicht ein dauerhaftes Modell für Religionen sein, dort einen Weg zu einem vorurteilsfreien Dialog zu finden, wo alle politischen Möglichkeiten ausgereizt sind?
Ein Psalmgebet mit Segenswort stärkte die Anwesenden für diesen Weg. Nach Worten des 1. Vorsitzenden der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Wolfgang Hüllstrung, der allen Beteiligten dankte und VertreterInnen aller Religionen auf den Weg der Geschwisterlichkeit verwies, entließen die Pianistin Renata Horn sowie ihre Söhne Nathanael und Emanuel (Klarinette/Violine), die die Feier musikalisch gestalteten, alle mit einem fröhlichen Klezmer-Lied in den Nachmittag.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Vortrag über das Judenbild in Bachs Passionen am 11. März 2019

Die Matthäuspassion ist ein Schlüsselwerk Bachs. Im Rahmen der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit fand am 11. März 2019 auf Einladung der Christlich-Jüdischen Gesellschaft eine Vortragsveranstaltung in der Koblenzer Synagoge statt. Prof. Dr. Johann Michael Schmidt beleuchtete „Die Darstellung 'der Juden' in den Passionen Johann Sebastian Bachs“.
Schmidt brachte sein Thema mit dem Rückgriff auf Erfahrungen von Avi Primor, in den neunziger Jahren israelischer Botschafter in Deutschland, auf den Punkt. Primor schreibt, dass ihn, der deutschen Sprache noch nicht mächtig, das wiederholte Hören der Matthäuspassion durch eine Phase schweren Leids trug. Von dem Moment an allerdings, als er die Texte verstand, habe er die Passion nicht mehr ertragen können.
Am Ende des Vortrags hatte der letzte im Raum verstanden, was Schmidt mit dem Bezug auf Primor deutlich machen wollte: „die Zerreißprobe zwischen dem Hören der überwältigenden Musik und dem Erschrecken vor ihrer Wahrnehmungs- und Wirkungsgeschichte sowie deren Anhalt in den Texten …, dem Erschrecken vor den direkt darin enthaltenen und den indirekt darin verborgenen judenfeindlichen Kräften“ (J. M. Schmidt: Die Matthäuspassion. Zur Geschichte ihrer religiösen und politischen Wahrnehmung und Wirkung. Leipzig. 2. Aufl. 2018. S. 669).
Direkte judenfeindliche Aussagen in der Matthäuspassion finden sich in wörtlich übernommenen Passagen aus der Passionsgeschichte des Matthäusevangeliums. Aufgenommene Choräle aus der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts enthalten zwar keine direkten judenfeindlichen Aussagen. Mit ihrer Betonung dessen, dass die Heilsbotschaft und der Sühnetod Jesu ausschließlich Christen gilt, schließen sie jedoch unmissverständlich Juden aus. Und schließlich aktualisieren frei gedichtete Textteile der Matthäuspassion das Leiden Jesu in Bezug auf die ganze Christenheit, kontrastiert von den sog. „Judenchören“.
Schmidt lud dazu ein, die Vorstellung vom Sühnetod Jesu hintan zu stellen und vielmehr das Leben und Sterben Jesu als Umsetzung der ersten drei Bitten des Vater Unser zu verstehen. Nur im Wissen um die zeitgebundene Entstehungsgeschichte der Evangelien, der lutherischen Choräle und der Texte Picanders sei, so Schmidt, die Matthauspassion nach Auschwitz hörbar.
So verstand der Referent es, einem interessierten Publikum einen Schlüssel für die Matthäuspassion in die Hand zu geben und „Bausteine für einen neuen theologischen Verstehensrahmen“ der Matthäuspassion (S. 662), der Juden und Christen nicht trennt, zu nennen. Dass dies in einer Synagoge geschah, war bewegend.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)

 

Mitgliederversammlung mit anschließendem Vortrag am 18. Februar 2019

Am Montag, dem 18. Februar 2019, fand um 18 Uhr die Mitgliederversammlung im Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz, Schwerzstraße 14, statt. Die Einladung und Tagesordnung erging an sämtliche Mitglieder per Post in Form des Rundbriefs vom Januar 2019. Bei der Mitgliederversammlung wurden Tätigkeitsbericht und Kassenbericht vorgetragen. Neu in den Vorstand gewählt wurde Frau Dr. Rademacher-Braick als Geschäftsführerin. Den Tätigkeitsbereicht kann man hier herunterladen.
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung, um 19.30 Uhr, hielt Dr. Ulrich Offerhaus (Koblenz) einen Vortrag über seine Forschungen zur jüdischen Familie Seligmann und dem gleichnamigen Bankhaus, von dem heute nur noch das herrschaftliche Gebäude in zentraler, prominenter Lage am Schloss, in direkter Nachbarschaft zum Theater und zum Deinhard-Stammhaus, zeugt. 2016 hat Dr. Offerhaus das Buch "Familie und Bankhaus Seligmann in Koblenz und Köln" veröffentlicht (Verlag Sokrates & Freunde, 2018 in zweiter Auflage). Familie Seligmann war eine der ersten jüdischen Familien in Koblenz, die eine Stadtvilla außerhalb des Judenviertels bezog und in die bürgerliche Gesellschaft aufgenommen wurde, sich zudem über Generationen hinweg auch sozial und kulturell engagiert hat (z. B. Casino zu Coblenz, Musik-Institut Koblenz, Musik-Freunde Koblenz).
(Wolfgang Hüllstrung)

 

"Holocaust"-Gedenktag am 27. Januar 2019

Als Beginn der Gedenkfeier am Sonntag, dem 27. Januar, erinnerte Oberbürgermeister David Langner am Mahnmal am Reichensperger Platz an die Schicksale Koblenzer Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens, begleitet von Schülern und Schülerinnen der Hans-Zulliger- und der Diesterweg-Schule, die Rosen am Mahnmal anbrachten. Daran schloss sich eine Gedenkstunde in der Citykirche an, in deren Rahmen der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Mahnmal Koblenz, Joachim Hennig, die Ansprache hielt. In diesem Rahmen lasen Schüler und Schülerinnen des Bischöflichen Gymnasiums aus Briefen der jüdischen Familie Hermann vor. Die Gedenkstunde endete mit einem jüdisch-christlich Gebet, das Dechant Thomas Hüsch, Christoph Simonis (Jüdische Kultusgemeinde), Superintendent Stahl und Pfarrer Staymann (altkatholische Gemeinde). Umrahmt wurde die Stunde musikalisch von Werner Höss (Orgel) und Eleonore Cziupka (Flöte). Die jährliche Gedenkfeier wird stets in Kooperation von Förderverein Mahnmal Koblenz, Christlich-jüdischer Gesellschaft für Brüderlichkeit, Freundschaftskreis Koblenz-Petah Tikva und Kulturamt der Stadt Koblenz veranstaltet. Ein Zeitungsbericht von Joachim Hennig vom Förderverein Mahnmal Koblenz findet sich unter: http://epaper.der-lokalanzeiger.de/eweb/media/vfa/2019/01/30/pdf/30_01_2019_VFA9S_16_29345917cc.pdf
(Wolfgang Hüllstrung)

 

Paul-Eisenkopf-Preis

eisenkopfklein Zur bundesweiten Woche der Brüderlichkeit im März lobt die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit in allen ungeraden Jahren den mit 1000 EUR dotierten Paul-Eisenkopf-Preis aus. Mit dem Preis sollen Personen, Schulklassen oder andere Gruppen ausgezeichnet werden, die sich im Bewusstsein der deutschen Vergangenheit um das Gelingen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Religion, Herkunft, Nationalität, Kultur und Weltanschauung bemüht haben beziehungsweise bemühen.

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Stolpersteine

steineAuf Bitten des Kulturausschusses der Stadt Koblenz hat die Christlich-Jüdische Gesellschaft die Recherche, Koordination und Finanzierung des Gedenkprojektes „Stolpersteine“ übernommen. Dabei werden vor dem letzten selbst gewählten Wohnort der Nazi-Opfer Messingplaketten verlegt, auf denen Name, Vorname, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person doku­mentiert sind.

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der Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit.

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