Vortrag zum Gedenken an Pinchas Lapide
Am 28. November wäre Pinchas Lapide 100 Jahre alt geworden, wenn er nicht vor 25 Jahren verstorben wäre.
Gleichzeitig hält noch die Trauer über seine fast genau vor einem Monat verstorbene Ehefrau Ruth Lapide an. Yuval Lapide, der Sohn von Pinchas und Ruth Lapide, der sich selbst im Anschluss an seinen Vater als Brückenbauer im religiösen Dialog versteht, hat zu Ehren seines Vaters eine Blütenlese zentraler Texte unter dem Titel „Wer predigte in ihren Synagogen“ veröffentlicht.
Am 22. November hielt er dazu einen Online-Vortrag, der vom Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd e.V. und der Christlich-Jüdischen Gesellschaft gemeinsam organisiert wurde. Die am Vortrag Teilnehmenden erhielten ungewohnte Einblicke in die persönlichen Beweggründe, die Pinchas Lapide in den siebziger Jahren dazu bewogen, von Israel aus, das ihm vor der Schoah Zuflucht gewährte, mit seiner Familie (Ruth und Yuval) nach Deutschland zu gehen, von dem das Grauen damals ausgegangen war, und in Frankfurt dauerhaft sesshaft zu werden. Der ursprünglich aus Wien stammende Pinchas Lapide, so führte Yuval Lapide aus, war durch seine Lehrmeister bestens auf eine solche Herausforderung vorbereitet. Vor allem aber spürte er intuitiv die Gunst der Stunde heraus. Die Gesellschaft der Bundesrepublik wurde überkommenen christlichen Anschauungen gegenüber immer misstrauischer und zeigte sich sehr aufgeschlossen für das, was Lapide als Rehebraisierung des NT und der christlichen Theologie bezeichnet hat, die Rückführung der christlichen Botschaft auf ihre hebräischen und damit jüdischen Wurzeln, für das christliche Selbstverständnis mehr von Nutzen als von Schaden.
Manches konnte den Teilnehmenden bis hierhin noch ein wenig abstrakt erscheinen. Ein konkretes Beispiel musste her. Das „Vater Unser“ als Gebet eines Juden im jüdischen Glauben gebetet, den Christen als Gemeinschaftsgebet hinterlassen, bot sich als geeigneter Beispieltext für eine Probe aufs Exempel an. In einer bereinigten Fassung gebetet, die sich am zu rekonstruierenden hebräischen Text orientiert, indem sie zu viel Konjunktiv vermeidet und die Bitte um Schutz vor Versuchung richtig versteht, hält Yuval Lapide im Anschluss an seinen Vater dies durchaus für ein Gebet, das Juden und Christen miteinander beten könnten. Das auf Bitte von Teilnehmenden von Yuval Lapide auf Hebräisch vorgetragene „Vater Unser - Awinu“ bildete den sehr passenden Abschluss dieses mehr im Dialog gehaltenen engagierten Vortrags.
(Alban Rüttenauer)
Pogromgedenken am Sonntag, dem 13.11.2022
Das diesjährige Gedenken an die Pogrome vom November 1938 fand erstmals unter aktiver Mitwirkung von Vertretern aller drei abrahamitischen Religionen statt.
Imam Asim Jelovac (Islamische Gemeinschaft der Bosniaken Koblenz e.V.) und Superintendent Rolf Stahl (Evangelischer Kirchenkreis Koblenz) hielten zusammen eine Ansprache. Ihre Geste, der Jüdischen Kultusgemeinde nach einer kürzlich erfolgten gemeinsamen Reise eine Kopie der ‚Sarajevo Haggadah‘ zu überreichen, war als Zeichen von Brüderlichkeit berührend. „Die ‚Sarajevo Haggadah‘ ist, so Rolf Stahl, „sephardischen Ursprungs und entspricht in ihrem Inhalt den üblichen Festbüchlein zum Seder-Abend von Pesach.“
Landesrabbiner David Schwezoff und Vertreter der hiesigen Jüdischen Kultusgemeinde gaben den freien Wortbeiträgen mit Worten aus Psalmen und mit Gebeten den gebührenden Rahmen.
Das Programm, in dem auch der Hausherr der Jüdischen Kultusgemeinde, Avadislav Avadiev, und der Vorsitzende der CJG, Prof. Dr. Alban Rüttenauer SAC, einleitend zu Wort kamen, finden Sie hier >>>
Im Anschluss an die Gedenkfeier legte Oberbürgermeister David Langner einen Kranz am Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof nieder. Zuvor hatte er in der Gedenkstunde alle Anwesenden daran erinnert, dass die Worte „Nie wieder darf so etwas wie die Pogromnacht geschehen!“ nur dann Realität werden, wenn jede und jeder am eigenen Platz dafür Sorge trägt.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung virtuos durch die beiden Nachwuchskünstler:innen Elena Salzwedel, Violine, und Floris Kurth, Violoncello, am Klavier begleitet von Karl Heinz Lindemann.
Gastfreundlich hatte die Jüdische Kultusgemeinde im Anschluss an den offiziellen Akt zu einem Imbiss und zu Getränken eingeladen. Auch diese Geste ist der besonderen Erwähnung wert.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)